Erlebnis Bericht von Erwin Thoma von der gemeinsamen 

Reise mit Ralf Pauken zum New York City Marthon

 

"Das werden wir nie vergessen"

Am 2.11.2004 begann für uns eine wunderbare Woche.

Zu dritt (gemeinsam mit unserem Lauffreund Helmut Leister aus Düren) machten wir, Ralf Pauken und Erwin Thoma aus Rohren, uns auf, New York zu erobern.

Dort nach ruhigem Flug angekommen, bemühten wir uns in den ersten Tagen den bevorstehenden Marathon und unser Sightseeing unter einen Hut zu bringen.
Die wichtigste Pflicht am Freitag vor dem Rennen war die Abholung der Starunterlagen in der riesigen Expo-Halle. Hier mussten wir feststellen, dass sehr viele unserer Mitläufer die
gleiche Idee gehabt hatten. Wir waren dann aber sehr erstaunt, dass wir aufgrund einer hervorragenden Organisation innerhalb von wenigen Minuten an die ersehnten Unterlagen gelangten.
Die ersten Unruhe konnte sich nun etwas legen, weil wir unsere Startnummer und damit die offizielle Genehmigung zur Teilnahme an dem NYC-Marathon in den Händen hielten.

Bei der Anmeldung bekamen wir Unterlagen zu dem Marathon, zu dem Friedenslauf, welcher am Samstag stattfindet, und der Pasta-Party. Daneben konnte man beliebig viel Geld für T-Shirts, 
Laufbekleidung etc. los werden. Beim Anblick des Treibens in der Expo-Halle flogen immer wieder die Gedanken an den Lauf und die bevorstehenden Tage an uns vorbei. Waren wir gut vorbereitet ? Würden die Muskeln und Sehnen halten ? Und immer wieder wurde die Frage nach der passenden Bekleidung für den Lauf diskutiert. Kurz oder lang - lang oder kurz ?

Am Samstag hieß es früh aufstehen. Um 6.oo h gab es nur ein "Notfrühstück" im Hotel und um 6.30 h wurden wir mit dem Bus quer durch Manhattan zum Start des "Friendship-Run" gefahren. 
Vorweg gesagt, eine Teilnahme an diesem Lauf lohnt sich nicht nur für Marathonis. Auch Nicht-Läufer sollten sich zu diesen 5 Meilen aufraffen. Die Stimmung ist riesig. Treffpunkt für den Lauf war der Platz vor dem Hauptgebäude der Vereinten Nationen. Das Meer der Läufer unter den eigenen Fahnen und mit Maskottchen versehen kann schon begeistern. Bei ca. 6.000 Startern bekam man einen ersten Eindruck von der Menschenmenge, die beim Marathon einem Lindwurm gleich durch die Stadt zieht. Wir hatten unsere Foto-Kameras eingesteckt, um während des Laufes einige Eindrücke festzuhalten. Aufgrund der inneren Anspannung haben wir das Fotografieren jedoch häufig vergessen. Nach dem Zieleinlauf im Central Park gab es für alle eine Tüte mit Obst und verschiedenen "Power-Mittelchen". 

Nachmittags besuchten wir die wiederum großartig organisierte Pasta-Party im Marathon-Zielbereich auf dem Gelände des berühmten Lokals "Tavern on the green". In einem riesigen Party-Zelt fanden wir in kürzester Zeit bei Live-Musik einen Tisch und Sitzplatz, nachdem wir uns am Buffet mit sechs verschiedenen Sorten Pasta, Bier, Wein, Cola und Dessert eingedeckt hatten.

Dann war er endlich da, der große Tag. Zu früher Stunde trafen wir uns um 6.30 h zum Frühstück. Der Appetit hielt sich wegen der großen Nervosität in Grenzen. Um 7.30 h nahmen wir Platz im Bus, welcher uns zum Start bringen sollte. Trotz der frühen Zeit gab es keine Müdigkeit, statt dessen sah man die Spannung in den Augen der Teilnehmer. Das Wetter hätte nicht schöner sein können. Von einem wolkenlosen blauen Himmel strahlte die Sonne. Der Bus quälte sich mühsam durch den Verkehr. Um uns herum sammelten sich mehr und mehr Busse mit enthusiastischen Läufern. Im Bus gab es die üblichen Fachgespräche. Neben uns erzählte jemand seine Marathongeschichte. Wir waren viel zu sehr in Gedanken, um seinen endlosen Geschichten zuzuhören. 
Nach fast 2 Stunden ist der Bus endlich in er Nähe der Verrazano-Bridge. Die Tür öffnet sich und Heerscharen von Läufern sprinten zur Hecke, um dem Druck der Blase nachzugeben. Trockene Kleidung, die wir nach dem Lauf tragen wollen, haben wir vorsorglich in die dafür vorgesehenen UPS- Tüten verstaut. Wir machen uns auf die Suche nach den braunen Fahrzeugen, die die Kleidung zum Ziel transportieren sollen. Auch hier fällt wieder auf, wie perfekt organisiert der gesamte Ablauf ist. Nirgendwo brauchen wir lange anstehen. 

Bevor wir das Startgelände, eine Militärkaserne, betreten dürfen, müssen wir durch mehrere Sicherheitskontrollen. Nur Läufer mit einer registrierter Startnummer dürfen auf das Gelände. Über dem Startgelände kreisen bereits zu dieser Zeit mehrere Polizeihubschrauber. Sogar auf den beiden Brückenträgern können wir in luftiger Höhe Sicherheitspersonal erkennen. Nicht zuletzt aufgrund der Sicherheitskontrollen und unserer Beobachtungen hierzu gesellt sich zu der Nervosität, von der wir seit dem Aufstehen befallen sind, ein überaus mulmiges Gefühl. Unweigerlich kommt der Gedanke an die unvorstellbar große Brücke, über welche man gleich nach dem Start laufen muss. Bereits jetzt verspürt man eine innerliche, furchtbare Wut auf die politischen/religiösen Fanatiker, die durch ihre wahnsinnigen Taten die Schuld dafür tragen, dass die Teilnehmer an diesem großartigen Spektakel ihre Freude über ihr Dabeisein nicht ungetrübt 
genießen können. Dieses Gefühl sollte sich im weiteren Verlauf des Rennens in Anbetracht der Begeisterung der Zuschauer noch verstärken.

Wir stärken uns noch an den Ständen, ein Energieriegel, eine Banane - das muss reichen. Nur jetzt nicht zuviel trinken. Erst kurz vorm dem Lauf noch einige Schlücke. Vor den Toilettenhäuschen haben sich lange Schlangen gebildet. Andere ziehen das umliegende Grün oder die längste Pissrinne der Welt vor. 

Endlich - um 10.10 h - erfolgt der Start durch einen Kanonenschlag. Die Anspannung der Läufer entlädt sich in einem unglaublichen Jubelschrei. Viele werfen nun überflüssige Kleidungsstücke weg, welche später eingesammelt, gereinigt und an die Obdachlosen New Yorks verteilt werden. Die unvorstellbare Menge setzt sich in Bewegung. Langsam, ganz langsam werden wir auf die Verrezano Brücke geführt. Die über der Brücke stehenden Helikopter und im Wasser schwimmenden Taucher lassen die latent vorhandene Angst wieder etwas größer werden. Der unvergessliche Ausblick von der Brücke auf Manhattan unterdrückt diese schlechten Gefühle zeitweilig. Am Ende der Brücke ist deutlich zu erkennen, dass die meisten Läufer froh sind, dieses Nadelöhr verlassen zu können. Wir bekommen die erste Gänsehaut, als wir sehen, dass Hunderte Läufer nach dem Passieren der Brücke zu den dort stehenden Polizisten laufen, um sich persönlich für deren "Job" zu bedanken.

Als wir nach Brooklyn einlaufen, registrieren wir erstmals die vielen Zuschauer, welche uns lautstark anfeuern. Sie treiben uns immer wieder an, was öfters dazu führt, dass man ein zu hohes 
Tempo geht. Kurz vor Erreichen der Halbmarathonmarke machen sich die ersten "Wehwehchen" bemerkbar. Die Füße brennen, die Beine tun weh. Die Motivation sinkt immer mehr. Dann laufen wir auf die ersten körperbehinderten Mitläufer auf, welche 30 Minuten vor dem Hauptfeld gestartet waren. Beim Anblick eines beinamputierten Läufers auf Krücken verfliegen die eigenen Schmerzen und werden augenblicklich zur Bagatelle. Man könnte losheulen, wenn man sieht, wie andere Läufer zu dem behinderten Mitläufer rennen und ihm mit den Worten "You`re doing a big job, you are my heroe" zu seiner Leistung gratulieren. Wir sehen auch, wie erschöpfte Rollstuhlfahrer von anderen, gesunden Läufern laufend weitergeschoben werden. Einfach unglaublich, einfach grandios.

An den Verpflegungsstationen ist die Strasse mit plattgetretenen Pappbechern übersäht. Endlich kommt die Queensboro-Bridge in Sicht. Auf der Brücke wird es ruhig. Keine Zuschauer, es geht bergan, vor uns läuft seit einigen Kilometern ein Läufer mit einem steifen Bein. Was kümmert da das leichte Seitenstechen. Hinter der Brücke biegen wir auf die 1st Avenue ein. Was für ein Erlebnis. Läufer soweit das Auge reicht. Tausende Zuschauer säumen den Weg. Wir genießen das Bad in der Menge. Sind das die Endorphine ? Wir klatschen Hände ab, winken in die Menge.


Bei Meile 18 kommt der Power-Gel-Stand. Wir greifen in die Tütchen und drücken uns die schleimige Masse zwischen die Lippen. Es scheint zu helfen. Man bildet es sich zumindest ein. Die 30 sind hinter uns. Jetzt heißt es durchhalten. Am Rand hält ein Zuschauer, sein Erscheinungsbild deutet auf "armer Schlucker" hin, ein Pappkarton mit der Aufschrift "Never give up" hoch. Dass hilft. Mindestens soviel wie das Power-Gel.

Es geht schon wieder auf eine Brücke zur Bronx. Wieder wird es ruhig. Jede Steigung zerrt an den Kräften und an den Nerven. Die Zuschauer sind riesig und feuern uns an. Überall werden Bananen, Orangenscheiben und Getränke angeboten. Ein kleines, farbiges Mädchen bietet Fruchtbonbons an und freut sich jedes mal wie ein Schneekönig, wenn ein Läufer sein Angebot annimmt. Dann endlich die 5th Avenue. Wann wird der Central-Park auftauchen. Wir erreichen den Park, doch er ist groß. Es geht hinein und bergauf. Bitte keine Anstiege mehr. Die Oberschenkel schmerzen. Immer mehr Läufer geben ihren Schmerzen nach und gehen. Noch 2 Kilometer. Die Tribünen werden sichtbar. Noch einmal bergauf. Dann die Arme hoch, lächeln für das Zielfoto. 

Unzählige Helfer kümmern sich um uns. Ein Helfer überreicht uns die Medaillen mit den Worten: "congratulation, you are a winner". Man nimmt ihm ab, dass sein Glückwunsch von Herzen kommt. Die Oberschenkel schmerzen unvorstellbar. Immer wieder werden wir auf dem Weg zu den UPS-Auto gefragt: "Do you need help"? Die zahllosen Helfer bieten ständig ihre Unterstützung an, doch beim Rundschauen sehen wir viele, die noch mehr mit sich zu kämpfen haben. Man denkt an den Läufer mit dem steifen Bein. Ob er es wohl geschafft hat ? Im Vorbeigehen reicht man uns Folien zum Warmhalten, Getränke, Obst und und und ...

In der Reunion-Area treffen wir unsere Reisegruppe wieder. Wir umarmen und beglückwünschen uns gegenseitig. Ein unvergesslicher Tag neigt sich dem Ende zu. Wir werden es niemals vergessen. 

Eines muss zum Schluss noch Erwähnung finden: Ralf Pauken lief den NYC-Marathon 2004 in der hervorragenden Zeit von 2 Stunden, 56 Minuten, 24 Sekunden. Er belegte mit dieser bemerkenswerter Zeit unter ca. 36.000 Teilnehmern den 360. Platz der Gesamtwertung und den 147. Platz in seiner Alterklasse. Herzlichen Glückwunsch !

 

von: ERWIN THOMA

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